Wie lässt sich der Flesh-Tunnel im Ohr wieder schließen?

Wie lässt sich der Flesh-Tunnel im Ohr wieder schließen?

Tubes, Plugs oder Tunnels – der Schmuck für die Ohren in Übergröße erfreut sich nach wie vor sehr großer Beliebtheit. Für diesen Schmuck gibt es viele Namen, aber alle sind nur für einen Zweck da: einen sogenannten Flesh-Tunnel, also einen „Fleischtunnel“ zu verzieren. Flesh-Tunnel sind zwar nach wie vor in Mode, aber was passiert mit dem Ohrläppchen im Maxiformat, wenn das Ganze nicht mehr gefragt ist? Lassen sich die riesigen Löcher in den Ohrläppchen einfach wieder schließen oder ist vielleicht eine Operation notwendig?

Ein Trend mit viel Tradition

Flesh-Tunnel sind keine Erfindung der Neuzeit, dieser Ohrschmuck im XXL-Format hat eine lange Geschichte und Tradition. Bereits die Menschen in der Steinzeit haben ihre Ohrläppchen über Gebühr gedehnt. Das bekannteste Beispiel für diesen außergewöhnlichen Schmuck ist „Ötzi“, der aus den Ötztaler Alpen. Forscher entdeckten bei der Mumie aus dem Eis Flesh-Tunnels und gehen davon aus, dass „Ötzi“ dazu auch den passenden Schmuck getragen hat. Der sagenhafte ägyptische Pharao Tutanchamun hatte hängende Ohrläppchen und sogar der Religionsgründer Buddha wurde mit riesigen Löchern in den Ohrläppchen abgebildet.

Viele indigene Völker dieser Erde schätzen diesen extravaganten, geweiteten Ohrschmuck. Sie tragen die großen Ohr- und Lippenlöcher als sichtbares Zeichen eines hohen Rangs innerhalb ihres Volkes. Männer, die sich die Lippen und die Ohrläppchen auf diese Art verzieren lassen, gelten dort bei den Damen als sehr attraktiv.

Wie entsteht ein Flesh-Tunnel?

Wer sich einen Flesh-Tunnel wünscht, muss Geduld mitbringen, denn das Ganze ist ein langer Prozess, der eine Dehnung vorausgeht. Den Anfang macht ein einfaches Lobe-Piercing, was ins Ohrläppchen gestochen wird. Ist dieses Piercing abgeheilt, dann wird nach und nach mit der Hilfe von Stäbchen oder sogenannten Expandern das Ohrläppchen auf die gewünschte Größe geweitet. Bei diesem Vorgang spielt die eine besonders wichtige Rolle.

Alle, die diesen langen Prozess abkürzen wollen, können sich im Piercingstudio auch einen Dermal-Punch stechen lassen. Dabei wird ein Stück Haut aus dem Ohrläppchen gestanzt. So etwas klingt schmerzhafter, als es in Wirklichkeit ist, denn in den meisten Fällen heilt diese besondere Form des Piercings sehr gut.

Die Gefahren eines Flesh-Tunnels

Die Menschen in früheren Zeiten hatten nicht das medizinische Wissen, was die Ärzte von heute haben. Wer sich heute für einen solchen Tunnel interessiert, sollte sich unbedingt im Vorfeld bei einem über die Risiken und Gefahren dieses Ohrschmucks informieren. So wird das Ohr mit einem Flesh-Tunnel deutlich schlechter durchblutet. Im schlimmsten Fall kann das Ohrläppchen reißen oder es kommt zu einem kompletten Verlust. Die extreme Erweiterung erhöht die Gefahr, eine Infektion zu bekommen, wird es zu schnell geweitet, dann kann dies sogenannte Keloide verursachen. Bei Keloiden, die in ihrem Aussehen an Narben erinnert, handelt es sich aus medizinischer Sicht um gutartige Tumore.

Hat der Flesh-Tunnel einen Durchmesser von zwölf oder mehr Zentimeter, dann lässt sich die Dehnung des Ohrläppchens nicht mehr rückgängig machen. Was den Trägern des Tunnels in dem Fall noch bleibt, ist eine Operation, bei der das Ohrläppchen wieder neu geformt wird.

Immer noch im Trend

Flesh-Tunnels waren lange von der Bildfläche verschwunden, sie tauchten erst um die Jahrtausendwende wieder auf. Zunächst waren es die Freunde des Punkrocks, die sich nicht nur Sicherheitsnadeln durch und Ohren gestochen haben, sondern auch für die etwas breiteren Ohrringe schwärmten. Diesem Trend folgten alle, die gerne anders aussehen und sich von anderen abheben wollten. Auffälliger als ein Flesh-Tunnel geht es eigentlich nicht mehr. Die Tunnel, ganz gleich in welcher Größe, zählten zur sogenannten „Bodymodification“, also einer ganz bewussten künstlerischen Veränderung der natürlichen Körperformen.

Inzwischen ist der Trend jedoch wieder abgeflaut, trotzdem ist er nach wie vor präsent. Viele, die heute einen Flesh-Tunnel tragen, wollen ihn gerne wieder loswerden, sie wissen aber nicht genau, wie es funktioniert. Nehmen sie den Schmuck aus den Ohrläppchen, dann bleiben nur zwei sehr große und unschöne Löcher übrig.

Ein aufwendiger Eingriff

Auf dem Höhepunkt des konnten die Löcher in den Ohrläppchen nicht groß genug sein. Selbst die Warnung, dass diese Löcher ab einer Größe von zwölf Zentimeter nicht mehr von allein zuwachsen, hat viele nicht geschockt. Wer sich von seinem Tunnel wieder trennen möchte, muss sich operieren lassen und dieser chirurgische Eingriff ist aufwendig. Die Ohrläppchen kann man zwar rekonstruieren, aber diese OP dauert relativ lange und die natürliche Form wird das Ohrläppchen nicht mehr zurückbekommen.

Was passiert bei einer Operation am Ohrläppchen?

Wer sich die extrem geweiteten Ohrläppchen wieder verkleinern lassen möchte, kann dies ambulant und bei örtlicher Betäubung machen lassen. Der Arzt wird bei diesem Eingriff einen großen Teil der überschüssigen Haut keilförmig entfernen. Die restliche, noch gut durchblutete Haut des Ohrläppchens, wird danach praktisch umverteilt. Das Ganze wird später mit einer sehr feinen Naht geschlossen und so entsteht wieder ein normales Ohrläppchen. Selbst ein erfahrener und versierter Arzt kann nicht vermeiden, dass Narben zurückbleiben. Entzündungen oder ein ständiges Taubheitsgefühl sind nach einem solchen Eingriff ebenfalls möglich.

Nach einer Woche bis zehn Tagen zieht der Arzt dann die Fäden, die betroffene Stelle selbst muss noch vier Wochen lang mit einer Creme speziell für Narben nachbehandelt werden. Männer trennen sich übrigens nicht so gerne von ihrem ungewöhnlichen Ohrschmuck. 60 Prozent der Patienten, die das Loch im Ohrläppchen wieder loswerden möchten, sind Frauen. Die Kosten für einen solchen Eingriff orientieren sich nach der Größe des jeweiligen Tunnels und liegen zwischen 300 und 500 Euro.

Können später wieder normale Ohrringe getragen werden?

In der Mehrzahl sind es junge Leute, die sich für einen Flesh-Tunnel entscheiden. Wenn sie erwachsen werden, soll die „Jugendsünde“ möglichst schnell wieder verschwinden. Ist der Eingriff vorbei, dann wächst bei vielen aber der Wunsch, wieder ganz normale Ohrringe zu tragen. Ist so etwas nach der Beseitigung eines Flesh-Tunnels überhaupt noch möglich? Grundsätzlich ja, aber es sollten vier bis sechs Wochen vergehen, bevor neue, kleinere Löcher für Ohrringe gestochen werden können. Manchmal dauert es aber noch länger, es kommt immer auf den Heilungsprozess an.

Wichtig ist es, darauf zu achten, dass die neuen Löcher in den Ohrläppchen nicht direkt in die Narbe des Flesh-Tunnels, sondern daneben gestochen werden. Dies hat seinen Grund, denn das Narbengewebe ist nicht so reißfest wie die gesunde Haut. Daher besteht immer die Gefahr, dass das Ohrläppchen erneut einreißt.

Bild: @ depositphotos.com / fukume

Tommy Weber