Was übergangene Erben wissen sollten

Was übergangene Erben wissen sollten

Es geht um sehr viel Geld, genauer gesagt um rund 400 Milliarden Euro, diese Summe wird jedes Jahr in Deutschland vererbt oder verschenkt. Gegenüber dem gesamten Nettovermögen der Deutschen, nämlich 13,8 Billionen, ist es allerdings ein kleiner Betrag. Fakt ist aber auch, dass manche von den 400 Milliarden Erbschaftsgeld gar nichts sehen, sie sind übergangene Erben, die leer ausgehen. Angehörige geraten schnell in Panik, wenn sie aus dem Testament gestrichen werden, aber übergangene Erben vergessen dabei, dass sie noch den sogenannten Pflichtteil haben.

Viele Rechte für übergangene Erben

Wenn ein Testament eröffnet wird, fließen nicht selten Tränen, zum einen vor Freude und Dankbarkeit, zum anderen auch vor Enttäuschung und Wut der vermeintlichen Erben, die leer ausgegangen sind. Zwar gibt es keine genauen Daten, wie hoch die Zahl derjenigen ist, die beim Erbe übergangen wurden, aber viele der Betroffenen wissen gar nicht, welche Möglichkeiten sie haben, doch noch zu erben. Dabei gibt es wegweisende Urteile, an denen sich übergangene Erben orientieren können.

Das Testament einsehen

Jeder, der als gesetzlicher Erbe eingesetzt wird, hat auch das Recht, das Testament einzusehen. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man gegenüber anderen Erben benachteiligt oder sogar enterbt wurde. So hat beispielsweise ein Mann gegen das Testament seines Vaters geklagt. Dieser hatte zusammen mit seiner zweiten Frau ein Testament aufgesetzt, in dem stand, dass nur die Kinder aus der zweiten Ehe erben sollten. Davon erfuhr der Sohn jedoch erst bei der Eröffnung des Testaments und er wollte es daher einsehen. Seiner Meinung nach gab es Anzeichen, dass einige Seiten des Originaltestaments ausgetauscht wurden. Der Notar wies den Wunsch des Sohnes zurück und berief sich auf seine Schweigepflicht. Der Sohn zog daraufhin vor Gericht und die Richter gaben im Recht, der Notar musste einlenken. Um das Testament einsehen zu können, musste das zuständige Gericht ihn aber von seiner Pflicht zur Verschwiegenheit entbinden.

Nicht nur auf den Pflichtteil reduzieren lassen

Immer wieder kommt es vor, dass bei Geschwistern der eine alles erbt und der andere nur den sogenannten Pflichtteil bekommt. Viele fühlen sich alsdann als übergangene Erben und gehen dagegen vor. Grundsätzlich darf der Erblasser mit seinem Vermögen machen, was er will, allerdings muss er einige sehr wichtige Dinge beachten. Wird das Testament geändert, dann muss es immer unterschrieben sein. Selbst eine Kopie des Originaltestaments ist ungültig, wenn die Unterschrift fehlt. Der Erblasser kann das Testament auch ändern, aber er muss es eigenhändig unterschreiben. In einem Fall bewahrte der Erblasser das Original des Testaments in einem Schließfach bei der Bank auf, zu Hause hatte er nur Kopien. Auf einer der Kopien gab es mit der Hand geschriebene Ergänzungen und Streichungen, jedoch fehlten Datum und Unterschrift. Der Fall landete anschließend vor Gericht. Die Klage des Alleinerben hatte jedoch keinen Erfolg, da die Unterschrift fehlte, der Pflichtteil musste ausgezahlt werden.

Die Oma bestehlen – es gibt kein Geld

Obwohl beim Pflichtteil von einer Pflicht die Rede ist, muss dieser Teil nicht immer ausgezahlt werden. Wer den Erblasser schon zu Lebzeiten bestiehlt, bekommt nichts. So hat ein Enkel seiner Oma einen hohen vierstelligen Betrag gestohlen und wurde dafür zu 100 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt. Mit einem sogenannten Erbvertrag entzog die Großmutter dem kriminellen Enkel den Pflichtteil. Nach dem Tod der Oma klagte der Enkel, um doch noch an das entgangene Erbe zu kommen. Er ging jedoch leer aus, denn das Gericht wertete den Diebstahl als ein schweres vorsätzliches Vergehen. Dies habe schon die hohe Strafe von 100 Tagessätzen gezeigt, die im polizeilichen Führungszeugnis auftauchen. Zudem stellte der Betrag, den der Enkel seiner Oma gestohlen hatte, bereits einen erheblichen Vermögenswert dar.

Siehe auch:  Warum erben manchmal ein Problem sein kann

Sportwagen sind sittenwidrig

Immer, wenn an den Pflichtteil einer Erbschaft eine bestimmte Bedingung geknüpft ist, ist das Ganze sittenwidrig. Dies gilt besonders für übergangene Erben, wenn es zu einem Ungleichgewicht zu ihren Lasten kommt. So hatte beispielsweise ein Vater seinem Sohn einen Sportwagen im Wert von 100.000 Euro versprochen, wenn dieser sowohl auf das Erbe als auch auf den Pflichtteil verzichtet. Den Wagen würde der Filius, der gerade volljährig geworden war, jedoch erst bekommen, wer er bis zu seinem 25. Lebensjahr mit Erfolg eine Ausbildung macht. Der Sohn klagte dagegen und bekam recht. Die Richter betonten, dass die Vorgabe einer erfolgreichen Ausbildung den Sohn in einer missbilligenden Weise auf seine Berufswahl eingeschränkt hat. Der Sportwagen wurde ebenfalls als sittenwidrig eingestuft, er ist kein Ersatz für das Pflichtteil am Erbe. Der Wagen wurde mehr als eine Art Belohnung angesehen, die mit dem Erbe eigentlich nichts zu tun hat.

Kann man den Pflichtteil entziehen?

Übergangene Erben streiten vor Gericht in der Regel um den entgangenen Pflichtteil. Um einem gesetzlichen Erben dieses Pflichtteil zu entziehen, muss der Erblasser aber sehr hohe Hürden nehmen. Ein Streit, der in Handgreiflichkeiten endet, kann allerdings dazu führen, dass das Pflichtteil entzogen wird. So wurde ein Sohn enterbt, da er seine Mutter mehrfach geschlagen haben soll und sie dabei eine Schädelprellung erlitt. Die Mutter vermachte deshalb alles einer sozialen Einrichtung. Wie viele übergangene Erben, so klagte auch der Sohn, in diesem Fall gegen die Einrichtung. Die Richter entschieden, dass die Entziehung des Pflichtteils nicht wirksam ist. Der Erbe habe sich falsch verhalten, aber in welcher Form? War es ein spontaner Streit mit der Mutter oder gab es regelmäßig Schläge? Der Verein als Erbe hätte so etwas nachweisen müssen, was er natürlich nicht konnte.

Fazit

Durchschnittlich beträgt die Summe, die jeder Deutsche im Laufe seines Lebens erbt, rund 85.000 Euro. Die Mehrzahl bekommt aber gar nichts, entweder, weil es nichts zu vererben gibt oder weil es übergangene Erben sind. Viele erben das Haus der Eltern, aber selbst dabei kann es schnell zu Streit unter den Erben kommen. Nicht selten muss das Elternhaus verkauft werden und der Erlös wird dann unter den Geschwistern aufgeteilt. Will einer der Kinder das Haus erben, muss er wiederum die anderen auszahlen. Wer etwas zu vererben hat, sollte schon frühzeitig überlegen, wer in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis etwas bekommt. Handgeschriebene Testamente mit Datum und Unterschrift sollte man nicht zu Hause aufbewahren, sondern einem Notar übergeben. So kann der Erblasser sicher sein, dass alles seinen richtigen Gang geht.

Bild: @ depositphotos.com / Elnur_